Du brauchst einen Tickler

Einmal pro Jahr solltest du deinem Zahnarzt zwecks Kontrolltermin einen Besuch abstatten. Je nach Krankenkasse ist das sogar Pflicht, um später Leistungen erstattet zu bekommen. Gehörst du zu denjenigen, denen im November einfällt, dass dieser Termin für das Jahr noch aussteht?

Mir ging es viele Jahre so ähnlich mit den Winterreifen: Immer fiel mir erst kurz vor knapp ein, dass ich noch einen Termin mit der Werkstatt vereinbaren muss. Mit Geburtstagen oder dem Valentinstag ist es so ähnlich. Viel zu oft habe ich nur sehr knapp noch die Kurve bekommen, mich um ein Geschenk zu kümmern. Wie geht man damit am besten um?

Die Antwort: Du brauchst einen Tickler!

Kalender: Nicht optimal, aber ein Anfang

Es ist sehr naheliegend, sich im Kalender einen Termin bzw. Aufgabe oder Erinnerung einzutragen, die mit genügen Puffer daran erinnert. Da ist ein solider Plan-B. Nun habe ich bereits davon abgeraten, Aufgaben in den Kalender einzutragen (Link). Hier liegt der Teufel erneut im Detail. Du könntest dir z.B. für den 7. August eintragen „Kontrolltermin beim Zahnarzt vereinbaren“. Allerdings: Was passiert, wenn du an diesem Tag nicht dazu kommst? Vermutlich ist der Pseudo-Termin dann am nächsten Tag aus den Augen und aus dem Sinn.

Task-Manager Stufe 1: Im Hintergrund mit Termin

Sicherer ist es da, die Erinnerung in deinen Task-Manager einzutragen. Du könntest sie z.B. auf deine Irgendwann-Liste setzen (Link) und einen Termin vergeben. Auch hier wird sie irgendwann an die Oberfläche befördert. Anders als bei Terminen im Kalender, nehmen Task-Manager (Todoist, Microsoft Todo, Google Tasks, …) die Aufgabe aber automatisch so lange mit den in den nächsten Tag, bis sie erledigt wurden.

Task-Manager Stufe 2: Digitalen Tickler anlegen

Was ist denn nun ein Tickler? Auf Deutsch heißt das Ding etwas sperrig: Wiedervorlage-System. Schaue es dir kurz bei Wikipedia an: Link. Es handelt sich um kleine Ordner, 43 an der Zahl, die von 1 bis 31 für die Tage und nochmal von 1 bis 12 für die Monate sortiert sind.
Wenn nun z.B. eine Rechnung am 8. Februar eintrudelt, die in 14 Tagen gezahlt werden muss, so könnte man sie in den Tagesordner 18 einlegen. Jeden Tag schaut man morgens in den aktuellen Tagesordner und findet dann am 18. Februar die Rechnung zur Zahlung wieder. Den Ordner des aktuellen Monats sollte man darüber hinaus mindestens einmal pro Woche ansehen.

Nun übernehmen Task-Manager das Terminieren nach Tagen automatisch. Ein digitaler Tickler braucht damit nur noch die 12 Monate. In meinem Todoist habe ich mir daher Etiketten „Januar“ bis „Dezember“ angelegt:

Alle Monate als Labels in Todoist angelegt
Monatslabels in Todoist


Sobald ich nun z.B. im Oktober glücklich den Zahnarzt verlasse, trage ich mir direkt in meinen Task-Manager (z.B. in die unaufdringliche Irgendwann-Liste) die Aufgabe „Neuen Kontrolltermin beim Zahnarzt vereinbaren @August“ ein.
Den aktuellen Monatstickler schaue ich mir mindestens einmal pro Woche kurz an (dauert kaum länger als eine Minute).

Alternative Formen deines Ticklers

Etiketten sind ein Premium-Feature in Todoist. Wenn du die Basisvariante eines Task-Managers benutzt, kannst du dir ein Oberprojekt „Tickler“ mit 12 Unterprojekten anlegen. Ebenso könntest du dir in der Notizapp deiner Wahl (z.B. Todoist, Google Keep oder One Note) 12 Notizen für jeden Monat anlegen, in die zeilenweise die Aufgaben wandern.

Fülle deinen Tickler jetzt!

Hier ein paar Anregungen, was du jetzt direkt in deinen Tickler eintragen kannst:
• Reifenwechsel in der Werkstatt (Sommerreifen, Winterreifen)
• Kontrolltermin eintragen (Zahnarzt, Hautarzt, Impfungen …)
• Weihnachtsgeschenke besorgen (vielleicht schon im Oktober!?)
• Geschenke für Geburtstage, Jahrestage, Valentinstag
• Den Garten Winter- bzw. Sommer-fit zu machen
• TÜV- und Inspektionstermine beim Auto

Solltest du alle deine To-dos löschen?

In der kurzen Info über Marie Kondo, die eure To-do-Liste aufräumt (hier nachzulesen), ging es bereits darum, Aufgaben auch manchmal zu löschen. Sie hat empfohlen, alle Aufgaben niedrigster Priorität zu entsorgen; ich habe hier im Blog widersprochen. Nun bin ich über den Artikel “I Declare Todo-List Bankruptcy” gestolpert. Die Autorin erläutert, in welchen Situationen sie es für sinnvoll hält, alle Aufgaben in der To-do-Liste zu löschen. Selbstverständlich ist mein innerer Protest hier umso stärker. Solltest du alle deine To-dos löschen? Nein! Entgehe dem To-do-Listen-Konkurs.

Wie es zu überfüllten Todo-Listen kommt

Anhänger von Getting Things Done schreiben alles in ihre Inbox (hier nachzulesen). An einem typischen Tag kommen durch eigene Gedanken, Bitten von Kollegen und Freunden, zufliegenden Aufgaben via E-Mail usw. schnell dutzende neue Einträge hinzu. Diese halten sich zwar nicht lange in der Inbox auf, sondern wandern (hier nachzulesen) in ihre zugehörigen Unterprojekte bzw. Kontextlisten (Besorgungen, Telefonate, …), dennoch verweilen sie aber immer noch in der Aufgabenverwaltung. 

Hier eine Tagesaufnahme meines Todoist:

Screenshot meines Todoist mit wenigen terminierten Aufgaben

Fünf Aufgaben sind explizit für heute vorgesehen, weitere zwei Dinge sind überfällig, da ich sie gestern nicht erledigt habe. Die meisten Aufgaben sind über Filter zugänglich:

Filteransicht meines Todoist. Insbesondere sind insgesamt 479 Aufgaben im System
Aktuell stehen insgesamt 479 Aufgaben in meinem System
  • 76 Dinge könnte ich als nächstes erledigen (“Next Action”)
  • In 13 Fällen warte ich auf jemanden, der die Aufgabe übernommen hat („Waiting“)
  • 37 Aufgaben lauern an einem bestimmten Tag in der Zukunft auf Erledigung
  • usw.
  • Insgesamt sind 479 Aufgaben in meinem Todoist erfasst

479 Aufgaben! Die meisten davon haben aktuell die geringste Priorität, die man in Todoist vergeben kann. Dem Ratschlag von Marie Kondo folgend, könnte ich wahrscheinlich 400 Aufgaben löschen. Könnte! Wirklich tun werde ich das nie.

Die Gefahr von gelöschten Aufgaben

Ich verwende Todoist seit über fünf Jahren und stets habe ich zwischen 300 und 500 Aufgaben darin. Hier hat sich offenbar ein dynamisches Gleichgewicht eingestellt. Aber auch bei mir kommen mehr Aufgaben rein, als ich wirklich erledige. Von Zeit zu Zeit lösche ich also auch unerledigte Aufgaben (nach welchem Schema ich das tue, erkläre ich am Ende des Beitrags). Was spricht nun dagegen, auf einen Schlag direkt mehrere (oder alle) Aufgaben zu löschen?

Beginnen wir mit Marie Kondos Vorschlag, die unwichtigen Aufgaben zu löschen. Jedoch: Woran erkennt man eine wichtige bzw. unwichtige Aufgabe? Diese Frage verdient einen eigenen Beitrag und wird hier nur kurz angeschnitten. 

Natürlich kann man sich immer vorstellen, sein Zukunfts-Ich im Geiste zu befragen: „Wäre es dir (also meinem 5 Jahre älteren Ich) lieber, wenn ich heute A oder B mache?“ 

Bei der Abwägungen in denen A etwas mit Netflix und B mit etwas mit Fortbildungen zu tun hat, ist das sicherlich einfach. Ist es im Alltag aber wichtiger, dem Chef, den Kollegen oder dem eigenen Körper etwas Gutes zu tun? Pauschal nicht beantwortbar! Manchmal muss man auf das Karrierekonto, manchmal auf das Freundschaftskonto und manchmal eben auf das Gesundheitskonto einzahlen.

Dinge, die nicht mit höchster Priorität markiert sind, sind nicht zwangsläufig unwichtig. Und umgekehrt: Der Großteil der To-dos, die wir für wichtig halten, sind es wahrscheinlich gar nicht. Beim Rest ist es kaum unstrittig möglich, Prioritäten zu vergeben. Niemals könnte ich in diesem Rahmen einfach alle Aufgaben niedrigster Priorität entfernen.

Die Autorin der To-do-List-Bankruptcy schreibt, dass ihr bisher nichts Schlimmes passiert ist.  Natürlich räumt sie etwas ängstlich ein, dass auch etwas Wichtiges gelöscht worden sein könnte. Möglicherweise überwiegt die neu gewonnene Entspannung bei ihr diese Angst. Ich kenne mich; bei mir würde die Angst überwiegen. 

Nochmal einen Schritt zurück! Was ist Sinn und Zweck unserer Aufgabenverwaltung?

Ist dein System Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Wir haben die Dinge in unsere Inboxen geschrieben, damit wir sie nicht vergessen und sie nicht an unseren Gedanken nagen. Eine nagende Aufgabe spukt dir den ganzen Tag im Kopf herum. Deine innere Stimme sagt ständig „Ich darf XYZ nicht vergessen!”. Das verursacht Stress und entzieht mentale Kapazitäten. Eine Aufgabe zu vergessen und auf unbequeme Art und Weise daran erinnert zu werden, verursacht noch mehr Stress und oft auch Ärger. 

Der Entspannung plötzlich alle Aufgaben loszuwerden, und sei es nur für wenige Tage (bis die wichtigen wieder zurückkommen), steht somit der Stress und die Angst gegenüber. “Ich muss unbedingt an XYZ denken, gerade jetzt wo ich mir den Reminder aus der Todo-Liste gelöscht habe”.

Es kann – vor allem bei Produktivitätsneulingen – vorkommen, dass sich ein schier unbewältigbarer Berg an Aufgaben angesammelt hat. Jeder Blick darauf kann dann so unangenehm sein, dass man die Liste irgendwann komplett links liegen lässt. 

Die gute Nachricht: So weit wird es nicht kommen, wenn du regelmäßig sachte gegensteuerst.

Entgehe dem Todo-Listen-Konkurs

Ich möchte es nochmal betonen: Lösche Aufgaben nicht, nur weil sie eine geringe Priorität haben. Das alleine ist kein zuverlässiger Maßstab. Ein wichtiger Aspekt der Produktivität ist es, dass man zu jeder Zeit nicht nur entscheidet, was man tut, sondern auch entscheidet, was man nicht tut. Genauer gesagt: „Noch nicht tut“. Wenn Aufgaben lange Zeit in meiner Liste stehen, ohne dass ich sie erledige, ist das für mich ein starkes Indiz, dass mir die Aufgabe wohl nicht wichtig ist. In Todoist habe ich dafür das Etikett „Papierkorb“, das ich an die Aufgabe anhänge. Damit erinnere ich mich für die kommenden weekly Reviews daran, dass ich bereit wäre diese Aufgabe/Idee loszulassen. Ändert sich das in den folgenden zwei bis vier Wochen nicht, so lösche ich die Aufgabe. Schließlich habe ich mir selbst genug Veto-Zeit eingeräumt.

Wenn diese Aufgabe nicht alleine vorkommt, sondern dir ein ganzes Projekt voller garstiger Aufgaben entgegenschaut, so gehe zuerst anders vor. Möglicherweise ist das Projekt einfach nicht korrekt geplant. Schnapp dir einen alten Briefumschlag (und lies vorher nochmal einen passenden Beitrag dazu). Nutze seinen Platz, jedoch nicht mehr, um das Projekt nochmal von null auf zu planen. Bringe diese neuen Schritte dann in deine Aufgabenverwaltung zurück, z.B. mit der Scanfunktion und entferne die bisherigen Aufgaben.

Erscheint dir das Projekt mittlerweile ganz und gar überflüssig? Dann gib ihm den Zusatz “Papierkorb” und lösche es bald, wenn sich deine Meinung nicht ändert!

Diese Art der Todo-Listen-Hygiene verschafft mir seit Jahren ein stabiles System, das mir deutlich mehr Entspannung verschafft, als man es von fast 500 To-dos erwarten würde.

Du brauchst kein Equipment fürs Warm Up

Du brauchst kein Equipment fürs Warm Up

Du brauchst kein Equipment fürs Warm Up. Weser im Fitness Studio, noch zu Hause. Moment, ein Home Gym ohne Trimmrad? Das geht! Sehr gut sogar. Wieso sich die Qualität deines Warm Ups vervielfacht, wenn du es halbierst.

Das Idealbild eines Home Gyms in den 90ern war:

  • Eine Matte mit ein paar kleinen Gewichten und Widerstandsbändern
  • Ein „professionelle“ All-In-One-Trainingsstation
  • Ein Video-Recorder, um Aerobic-Kassetten abzuspielen
  • Ein Trimmrad, aka „Heimtrainer“

Später bekam das gute alte Trimmrad durch Rudergeräte und Crosstrainer Konkurrenz. Seltener auch noch durch Stepper oder Läufbänder. Ihnen allen war einer von zwei Gedanken gemeinsam:

  1. Fürs Warm Up muss ich ja 10 Minuten [20 Minuten] aufs Fahrrad [Crosstrainer/Rudergerät/Laufband]
  2. Ich kann mein Ausdauertraining darauf machen (teilweise wird dabei Ausdauertraining als das eine Fitness-Training schlechthin gesehen)

Für den Moment geht es vor allem um Punkt 1: Braucht man fürs Warm Up ein Fahrrad oder ähnliches?

Warm Up: You’re Doing it Wrong!

Was ist die Aufgabe eines Warm Ups? Den Kreislauf in Schwung bringen und die Muskeln aufwärmen? Beides ist bestensfalls ein netter Nebeneffekt, aber in der Ausführlichkeit, in der es praktiziert wird, auch unnötig. Der Kreislauf braucht keine 10 Minuten um in Schwung zu kommen und speziell ein Fahrrad hat die Eigenschaft, dass nur die Beine wackeln, während sich der Rest nicht bewegt. Als Warm-Up-Gerät versagt alles Fahrrad-ähnliche daher komplett.
Die eigentliche Aufgabe des Warm Ups ist es, die Gelenke und Gelenkschmiere vorzubereiten. Dazu müssen sich alle wichtigen Gelenke bewegen (sorry Fahrrad) und diesen Bewegungsspielraum („Range of Motion“) mit jeder Bewegung etwas vergrößern (sorry Laufband, sorry Crosstrainer). Richtig ausgeführt dauert das keine 5 Minuten und benötigt kein Equipment.

So geht Warm Up!

Mache Mobilisierungsübungen, englisch Mobiliser. Ein Mobiliser sieht aus wie eine Mischung aus Aerobic- und Dehnübung. Korrekt zusammengestellt benötigst du maximal 5 Stück, die jeweils weniger als eine Minute ausgeführt werden. Am Ende sind alle wichtigen Gelenke bereit fürs Training und dein Puls wird auch schon spürbar angestiegen sein. 
Folge diesem Link um ausführlich über die Mobiliser zu lesen: Effektives Warm Up mit Mobilisern.Zusammengefasst machst du fünf Übungen für deine wichtigsten Gelenke:

  1. Bent-Over Hamstring für die Oberschenkel, Hüfte und unteren Rücken
  2. Chest Opener für die Schultern
  3. Reverse Bent-Over Hamstrings für die Knie, Hüfte, Schulter und Wirbelsäule
  4. Hip Swings für die Hüfte wie auch die Fußgelenke
  5. 3D-Spine um wirklich alle Gelenke in der Wirbelsäule vorzubereiten

Hier die Warm-Up-Regeln zur Übersicht:

Über Regel 2 haben wir noch nicht gesprochen. Ich stehe Dehnen generell kritisch gegenüber. Speziell im Warm Up hat es in jedem Fall nichts verloren. Es trägt nichts zur Vorbereitung der Gelenkschmiere bei. Aufwärmsätze (Regel 4) führst du aus, indem du eine Übung mit geringem oder gar keinem Zusatzgewicht ausführst. So solltest du vor Kniebeugen mit Zusatzgewicht einige Wiederholungen ohne Gewicht ausführen. Bankdrücken kann mit nackter Stange vorbereitet werden, usw..
Mache entsprechend dem reduzierten Gewicht mehr Wiederholungen in deinem Aufwärmsatz, z.B. doppelt so viele, wie im folgenden ersten Satz. Nutze diese Gelegenheit auch, um die Bewegung nochmal sorgfältig zu überprüfen.

Fazit: Richtiges Aufwärmen spart Zeit und Geld

Selbst ein mittelmäßiges Trimmrad kostet deutlich über 100€. In meiner Einkaufsliste für dein Home Gym reicht dieser Betrag bereits für fast all das, was ich als Mindestausstattung empfehle: eine Kettlebell, eine Matte und einen Foam-Roller.Freue dich außerdem über die unzähligen gesparten Lebensminuten im Warm Up im Laufe deines restlichen Trainingslebens!

Du musst die Spülmaschine nicht ausräumen; du willst!

Ein häufiges Anzeichen der Überforderung ist, dass man sich treiben lässt und in eine Opferrolle gerät. Diese Rolle äußert sich in alltäglichen banalen Dingen wie der Spülmaschine, von der man glaubt, dass sie ausgeräumt werden MUSS. Entgehe dieser Denkfalle und unterscheide sauber zwischen müssen und wollen. Du musst die Spülmaschine nicht ausräumen; du willst! Das wird einen großen Unterschied darin machen, wie du auch alle übrigen Dinge angehst. 

“Happiness is when what you think, what you say and what you do are in harmony”

Mahatma Gandhi

Beobachte dich ab sofort selbst: Wie oft lässt du Sätze der Form „Ich muss noch X erledigen (bevor ich Y machen kann)“ fallen? Vor allem: Wie oft stimmt diese Aussage wirklich?
Klingt so, als würdest du ja gerne Y machen, aber irgendjemand/irgendetwas hält dich davon und fordert zuerst X ein. Ein fieser Kerl/Frau diese(r) Unbekannte! Dir sind die Hände gebunden, aber X geht jetzt vor Y und du kannst nichts dafür. Du Opfer.

Mir geht es darum herauszufinden, wann die Deutung deiner Prioritätensetzung falsch ist. Ich glaube, meistens müssen wir X gar nicht zuerst tun, sondern wir wollen es. Dann ist es wichtig dazu zu stehen: Du hast frei und selbstbestimmt entschieden, dass dir X im Moment wichtiger ist. Du übernimmst die Verantwortung über dein Handeln. Anders kannst du der Überforderung nicht entkommen.

Sende ein selbstbestimmtes Signal an dich und dein Umfeld

Das Beispiel der Spülmaschine kennen vor allem Eltern, die ihre Kinder mit dieser Begründung auf später vertrösten. “Ich muss erst noch die Spülmaschine ausräumen”. Wieso “müssen”? Niemand hat dich dazu gezwungen und es ist mit deutscher Rechtsprechung verträglich es nicht zu tun. Räumst du sie nicht eher freiwillig aus, weil du die Ordnung bevorzugst und um dich anschließend in deiner Wohnung wohler zu fühlen? Traue dich, deinem Kind zu sagen, dass du dieses Wohlgefühl momentan dem Spielen vorziehst und schiebe es nicht auf die äußeren Umstände.

Wenn also das nächste Mal dein Kind vor dir in der Küche steht und spielen will, so sage nicht: „Ich kann jetzt nicht mir dir spielen, [obwohl ich es gerne würde], denn ich muss noch die Spülmaschine ausräumen. [Was nur ein Beispiel der unzähligen Aufgaben ist, die täglich auf mich einprasseln und von denen ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Es ist alles so furchtbar]„.

Sage lieber: „Ja, ich freue mich darauf, gleich mit dir spielen. Vorher will ich noch die Spülmaschine ausräumen. [Denn ich habe entschieden, dass das jetzt getan wird. Es sorgt für mehr Ordnung im Haus und das ist mir im Moment wichtiger]“.

An der Reihenfolge deiner Tätigkeiten hat sich nichts geändert. Zuerst die Spülmaschine, dann das Spielen. Gleichzeitig haben sich die Botschaften an dich und dein Umfeld um 180 Grad gedreht.

Natürlich gilt das für jede andere Situation des Alltags genauso, egal, ob zu Hause oder auf der Arbeit, ob mit oder ohne Kinder. Sage nicht, du müsstest etwas tun, obwohl du es “lediglich” willst. Auch wenn du im Endeffekt den Tag damit inhaltlich nicht anders gestalten solltest, so holst du dir die Deutungshoheit über deine Motive zurück.

Was, wenn du es nun aber wirklich nicht willst?

Wie verhält es sich mit Angestellten? Wenn der Chef einen Bericht verlangt, dann muss man das doch machen, oder?

Prinzipiell korrekt, aber auch hierauf kann man mit zwei Brillen schauen:

  • Fall 1, “Opferrolle”: „Ich muss den Bericht schreiben [weil ich sonst Ärger mit meinem Chef bekomme, und davor habe ich Angst].
  • Fall 2: Selbstbestimmt: „Ich will den Bericht schreiben [weil ich die Notwendigkeit und den Mehrwert darin sehe, dass der Bericht möglichst bald an den Kunden geht].

Gelegentlich wird es vorkommen, dass du eine Aufgabe zu erledigen hast und es dir einfach nicht gelingt, sie erledigen zu wollen. Solange das nur ab und zu vorkommt, kannst du das akzeptieren. Ist es an der Tagesordnung, so überlege dir, ob du diesen Job wirklich wills. Er wird dich nicht erfüllen, da wir alle nach Selbstverwirklichung streben. Nicht erst seit der Generation Y.

Erinnerung: Schreib‘ keine Aufgaben in deinen Kalender

Im Beitrag „Schreibe keine Aufgaben in den Kalender“ habe ich dich gebeten, Aufgaben nicht zu terminieren. In Bezug auf diesen Beitrag wird nun deutlich: Ein Terminieren führt zu einem Müssen. Aber wir wechseln ja die Einstellung hin zu einem Wollen [dass das bald erledigt ist]. Ergo setzen wir es auf die Next-Action-Liste

Wie ist es bei dir? Wie oft hast du dich mit einem „müssen“ ertappt? Welche Dinge, von denen du bisher geglaubt hast, sie zu müssen, sind eigentlich Dinge, die du willst? Wie oft war das Müssen-von-X eine Entschuldigung dafür, dass du dich vor Y drücken wolltest?

Marie Kondo räumt eure To-Do-Liste auf

Kurz vor Jahresende, und somit rechtzeitig vor den guten Vorsätzen für das neue Jahr, gibt es ein Highlight im Todoist-Blog: Marie Kondo räumt eure To-do-Liste auf

„The Life Changing Magic of Tyding Up Your To-Do List“


Gemeinsam mit Aufräumexpertin, Bestsellerautorin und Netflix-Star Marie Kondo („Magic Cleaning“) erklärt das Todoist-Team, wie man seine To-do-Liste aufräumt. Sehr lesenswert!

Wichtigstes Element ist es, das eigene „End Goal“ zu formulieren; eine Art Lebensziel. An ihm soll sich jede Entscheidung wie an einem Kompass orientieren. Volle Zustimmung. Damit beginnt auch Steven Covey in seinem Bestseller „Die 7 Wege zur Effektivität“. Führt eine Aufgabe nicht unmittelbar zu diesem Ziel, kann sie vermeintlich weg. Aber Achtung: Natürlich bleibt auch die Aufgabe für die Steuererklärung am Ende noch stehen. Positiv: Der Verzettelungsgefahr wird Einhalt geboten.

Kondo räumt nicht Raum für Raum auf, sondern Kategorie für Kategorie. Sie beginnt stets bei den Kleidern, egal in welchen Räumen diese verteilt sind. Im Todoist-Blog wird das auf die Projekte übertragen. Hier interpretiere ich die Analogie anders: Räume deine To-do-Liste nach Kontext (im GTD-Sinn, z.B. hier nachzulesen) auf, nicht nach Projekt (=Lebensbereich). Betrachte so z.B. alle Aufgaben, bei denen es etwas zu lesen gibt, etwas zu besorgen oder etwas zu schreiben, usw.

Wirklich widersprechen möchte ich jedoch an der Stelle, an der alle Aufgaben niedrigster Priorität entsorgt werden und dann noch zum Terminieren von Aufgaben aufgerufen wird. Zum Thema Priorisieren möchte ich bald einen eigenen Beitrag verfassen und gegen das Terminieren spreche ich mich erneut vehement aus: Schreib keine Aufgaben in deinen Kalender.

Bitte versprecht mir bis dahin, noch nicht voreilig Aufgaben zu löschen und vor allem nicht zu terminieren.

Gemeinsam entschleunigt an Dokumenten arbeiten

[Ironie an]

Die Arbeitswelt ist hektisch und wir sind alle überfordert. Das muss jeder ständig am eigenen Leib erfahren. Mit diesen Tipps könnt ihr gemeinsam entschleunigt an Dokumenten arbeiten.

Wende sie ab sofort an und schinde Zeit bei allen wichtigen Dokumenten. Deine Kollegen werden dich dafür lieben, nachdem sie den Vorteil der Entschleunigung auch für sich erkannt haben. Gemeinsam nehmen wir den Stress aus der Digitalisierung.

Tipp 1:  Lege das Dokument an einen überraschenden Ort

Der effektivste Weg die Bearbeitung eines Dokuments zu entschleunigen, ist es, es den Co-Autoren nicht direkt unter die Nase zu reiben. Den Marketing-Bericht des neuen Produkts vermuten sie entweder im Marketing-Ordner oder aber im Produkt-Ordner. Selbstverständlich darf dein Dokument nicht dort liegen, sondern an einer überraschenden Stelle. Sei kreativ! Tue dabei so, als wäre das der einzig logische Ablageort gewesen.

Tipp 2: Überliste die Suchfunktion

Der hektische Kollege wird das Dokument nun nicht finden, und ungeduldig die Suchfunktion bemühen. Natürlich haben wir das kommen sehen und den Dateinamen angepasst: Er enthält keine Schlüsselwörter. Netter Nebeneffekt: Wer zufällig über die Datei stolpert, der ahnt auf Grund des Namens nichts vom Inhalt und wird positiv überrascht. Nette Überraschungen gibt es in unserer Arbeitswelt viel zu selten.

Tipp 3: Hänge unzählige Kürzel an

Anfangs wird der Bericht vielleicht noch den Dateinamen „Marketing-Bericht 2019.docx“ tragen (falls du dich bei Tipp 2 nicht durchsetzten konntest, und jemand dein „MB 19“ unnötig verlängert hat). Es ist aber noch nicht zu spät, ab sofort zu entschleunigen. Ignoriere die „Änderungen nachverfolgen“-Funktion von Word und erzeuge jedesmal eine Kopie der Datei und hänge dein Kürzel an, also etwa „Marketing-Bericht 2019_SF.docx“. Du darfst gerne Unterstriche verwenden, obwohl der Rest der des Dateinamens es nicht tut. Das erinnert an die gute alte Zeit, als Leerzeichen im Dateinnamen noch nicht erlaubt waren. Wenn du nun ein zweites mal nachlegen musst, verwende zufällig einen zusätzlichen Anhang. Zur Auswahl stehen unter anderem:

Gemeinsame Bearbeitung eines Dokumentes mit vielen Kürzeln und Unterstrichen
Nimm dir Zeit und finde die aktuellste Version
  • „_2“
  • „_neu“
  • „_aktualisiert“
  • „_review“
  • [sei kreativ]

Wichtig: Wenn du noch ein drittes Mal ändern musst, so wähle den neuen Anhang zufällig. Fausregel: Solange der Dateinamen ohne Zeilenumbruch auf den Bildschirm passt, gilt er als lesbar.

Tipp 4: Ignoriere Änderungen von Kollegen so lange wie möglich

Wenn du vor einer weiteren Änderungsrunde stehst, stelle sicher an deiner letzten Version weiterzuarbeiten, und nicht etwa an der aktuellsten. Der Kollege, der am Ende alles zusammenführt profitiert davon. Der gründliche Vergleich unzähliger Dateiversionen wird sein Textverständnis in ungeachtete Höhen führen.

Tipp 5: Wähle das Datumsformat mit Bedacht

Oft hört man, das Datumsformat „YYYY-MM-TT“ sei das einzig wahre, weil es die richtige Chronologie sicherstellt. Gefährlicher Nebeneffekt: Wer die aktuellste Version zuverlässig findet, der schaltet auch sein Gehirn aus. Nur wenn alle möglichen Datumsformate auftauchen, wird der Suchende auch wirklich aufmerksam suchen.Bonus-Tipp: Schreibe den Monatsnamen im Klartext und die Chronologie weiter zu verschleiern.

Tipp 6: Verwende nie die aktuellste Word-Version

Erinnere dich an Tipp 3, wo wir Unterstriche verwendet haben. Dadurch stellst du sicher, dass auch alte Betriebssysteme und schrullige individuelle Dateisysteme sich nicht verschlucken. Gleiches gilt für die Word-Version. Microsoft hat das „.docx“ nur eingeführt, weil das alte „.doc“ nicht mehr hipp genug war. Durch Anfügen eines X wird alles hipper.

Außerdem: Wer wärst du denn, wenn du Kollegen aus dem Prozess ausschließen würden, nur weil diese noch Word 98 benutzen?

Die alten Dinge waren auch gut!

Tipp 7: Dru(e)cke Wertschätzung aus!

Digitalisierung ist einer der Haupttreiber der beschleunigten Arbeitswelt, und somit unser Feind. Ich empfehle den guten alter Ausdruck und Textmarker. Ähnlich wie ein handgeschriebener Brief drückt er Wertschätzung aus: „Ich habe mir die Zeit für dich genommen!“.

Tipp 8: Vermeide die Cloud

Lege dein Dateien immer auf den Desktop und kopiere es von Hand – nur bei absoluter Notwendigkeit – rüber aufs Netzlaufwerk (den neuen Anhang aus Tipp 3 nicht vergessen!). Die Cloud würde deine Aktualisierungen sofort mit den Kollegen teilen. Das baut dort nur unnötig Stress auf, kurzfristig darauf reagieren zu müssen. Außerdem: Wo ist überhaupt die Cloud und wer liest da mit?

Meme Morpheus (Matrix) What if I told you, the cloud ist just someone elses computer

Tipp 9: Informiere Kollegen persönlich über Änderungen

Bist du mit deinen Änderungen fertig oder hast Rückfragen? Vermeide ein schnelles Medium wie Slack, Twist oder Microsoft Teams! Insbesondere rate ich davon ab, die Kommentarfunktion des Office-Paketes zu nutzen. Sie hat den Nachteil, dass sie zusätzlich auch noch den Kontext herstellt. Gehe persönlich zum Kollege und informiere ihn. Auch das drückt Wertschätzung aus, während ein Chat unpersönlich und ungeduldig wirkt.

[Ironie aus]

Wie ärgerlich, jetzt haben wir nur 9 Tipps! Ich habe eine Idee: Wir könnten doch gemeinsam entschleunigt an diesem Dokument arbeiten, und du steuerst einen zehnten Tipp bei. Was nervt dich besonders beim gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten?

Bei akutem Stress hilft ein alter Briefumschlag

Möglicherweise bist du selbst gar nicht verantwortlich dafür, dass es plötzlich zeitlich brennt. Jetzt die Schuldfrage aufzubringen, und sich in einer missmutigen Opferrolle in den Stress zu stürzen, ist jedoch auch wenig hilfreich. Selbstverständlich solltest du über die Hintergründe des Stresses nachdenken und versuchen, vorwärts gerichtete Lektionen daraus zu ziehen. Dennoch: Jetzt gerade kommt es darauf, dass DU performst – und kein kopfloses Huhn bist.

Bei wenig Zeit: Nimm dir Zeit zur Planung

Zu wenig Planung ist die Ursache für die meisten Probleme rund um Produktivität. Mit deiner Next-Action-Liste (Link) hast du bereits ein gutes Bild von all dem, was zeitnah erledigt werden sollte. Gleichzeitig wird die Zeit nicht reichen, um kurzfristig alles darauf zu erledigen. Hier reichen unsere Gewohnheiten aus den Tipps 1-3 also noch nicht aus. Wir brauchen nun eine zusätzliche Form der Planung.

Ein Beispiel: Der Tag wird hektisch, als jemandem – z.B. deinem Chef oder dir* – brennend einfällt, dass heute ja ein Bericht fällig wäre. Die Präsentation für den Kundentermin morgen ist auch noch nicht fertig (wolltest du heute machen, bevor der Bericht dazwischen kam). Ach ja, und das Notebook, mit dem du präsentieren willst, ist auch noch nicht eingerichtet. Wo wir gerade dabei sind: Hast du schon die Reise morgen beantragt, geplant und die Schlüssel für den Dienstwagen abgeholt?

*) selbstverständlich war es dein Chef. Denn du schreibst ja mittlerweile alles in die Inbox oder seltener auch direkt in den Kalender, sodass dir nichts mehr durchrutscht 

Sortiert begegnen uns diese Punkte:

  • Bericht abschließen
  • Präsentation erstellen
  • Notebook einrichten
  • Reise planen

Dass die drei unteren Punkte zu einem gemeinsamen Punkt “Präsentation beim Kunden” gehören, tut dabei nichts zur Sache. Betrachte jeden dieser Punkte als ein Projekt. Hierbei sind wir mit dem Projektbegriff sehr großzügig. Im Wesentlichen ist alles, das aus mehr als einer Next Action besteht ein Projekt. Im Idealfall stand von jedem der vier Projekte bereits eine Next Action in deiner Next-Action-Liste.

Dennoch reicht das Finden einer Next-Action pro Projekt hier nicht aus und du benötigst mehr Planung um das Gefühl der Kontrolle wieder zu erlangen. Ich bevorzuge eine Tabellenstruktur. Die groben Unterpunkte unserer Projekte könnten die folgenden sein:

Die grobe Planung auf einem Briefumschlag oder einem alten Zettel

Sei präzise, fasse dich aber kurz

Warum ein alter Briefumschlag? Ganz einfach, er erfüllt zwei Dinge:

  1. Sein Platz ist knapp. Viel mehr als die obige Tabellenstruktur wird nicht draufpassen.
  2. Er ist alt und nur als Schmierzettel gedacht. Du wirst ihn am Ende des Tages (oder der Woche) mit gutem Gewissen wegwerfen.

Die Briefumschlagsplanung verschriftlicht alles, was sowieso in deinem Kopf rumspukt. Wie auch schon zuvor bei der Inbox, schweigen die rumspukenden Gedanken, sobald sie aufgeschrieben sind. Du kommst damit zuverlässig aus dem Kopfloses-Huhn-Zustand heraus. Für den Rest des Tages wird dieser Umschlag die einzige (Todo-)Liste sein, die dich noch interessiert. Streiche alle erledigten Aufgaben sofort durch und entscheide dann schnell, welche du als nächste angehst. Damit dieses häufige Überfliegen der Liste flüssig von statten geht, ist es sehr (sehr sehr) wichtig, dass alle Aufgaben ein Verb enthalten. Nur so musst du nicht jedesmal Substantiv-Brocken, die dir dein früheres Ich zugeworfen hat wieder zu einem Satz aufbauen. Diese beiden Aspekte findest du auch nochmals wunderbar zusammengefasst in einem Beitrag des offiziellen Todoist-Blogs (Punkte 1 und 2).

Es kann und wird jetzt immer noch vorkommen, dass du innerhalb der Deadline nicht mit allem fertig wirst. Dadurch, dass du das Gefühl hast, trotzdem alles unter einer gewissen Kontrolle zu haben, wird fast schon automatisch – auf souveräne Art und Weise – mehr erledigt.

Darf es auch etwas feiner sein?

Nun liegt der Gedanke nah, künftig alle Projekte direkt ausführlich zu planen und zu verschriftlichen. Meiner Erfahrung nach ist das für die meisten Projekte zu viel des Guten. Der Inbegriff der detaillierten Projektplanung ist das Gantt-Diagramm. Dieser Blog-Beitrag bestätigt meine Erfahrungen, dass Gantt-Diagramme in dynamischen (/agilen) Umfeldern oft versagen. Sie sind dann den Pflegeaufwand nicht wert. 

Wenn es also keine Richtlinien gibt, die eine detaillierte Planung erfordert, und die alle Unvorhersehbarkeiten vorhersieht, dann plane grob aber sorgfältig. Das mag widersprüchlich klingen, ist aber plausibel. Mach dir ein grobes Bild von der Abfolge aus der Helikopter-Perspektive. Fliege in Gedanken den Weg zu deinem Ziel ab und notieren dir jeden wichtigen Zwischenschritt, ohne die Position jeder einzelnen Mülltonne zu kartografieren. Dazu wird die Fläche eines Briefumschlags immer ausreichen.

Wie gehst du deine Projekte aktuell an? Denkst du von Schritt zu Schritt oder hast du bereit von Beginn an einen ausführlichen Plan? Benutzt du (freiwillig) schwere Software-Geschütze, wie z.B. Microsoft Project?

Unterscheide nur „Next Action“ und „Irgendwann“

Seit einigen Tagen hast du eine Inbox (Link) und stellst sicher, dass alle dir zufliegenden Aufgaben darin landen. Allein diese Verschriftlichung gibt dir das Gefühl der Kontrolle. Weiterhin terminierst du deine Aufgaben nicht mehr auf Verdacht (Link). Damit deine Inbox jeden Abend leer ist, müssen wir uns ein paar Techniken zum effektiven Umgang mit ihr ansehen. Dabei hilft dir als erstes Tipp 3: Unterscheide nur als „Als nächstes / Next Action“ und „Someday / Irgendwann“ bei deinen Aufgaben.

Schauen wir uns am Bürobeispiel an, wie man die beiden Kategorien aus der Inbox heraus unterscheidet und wie man anschließend mit ihnen weiterarbeitet.

So sah unsere Inbox nach 45 Minuten Arbeitstag aus

Wir knüpfen direkt um 8:45 Uhr an unserem Beispieltag an. Zunächst kommen wir zurück zum Schreibtisch und würden gerne mit der ursprünglich für den Tag geplanten Arbeit beginnen. Ergänzend liegt nun die gefüllte Inbox da. Wenn das dein erster Tag mit einer Inbox ist, so schreibe bitte auch die eigentlich geplanten Aufgaben nochmals in die Inbox.

Hast du jetzt direkt einen Termin im Kalender? Dann nimm an ihm Teil und komme evtl. mit einer noch längeren Inbox zurück. Falls du keinen Termin im Kalender hast, hast du soeben einen mit dir selbst vereinbart: “Review meiner Inbox machen”.

Review-Schritt 1: Entscheide schnell, was “als nächstes” gemacht werden kann

Finde zuerst alle Elemente, die du theoretisch als nächstes machen könntest, wenn du jetzt gerade Zeit hättest und am richtigen Ort wärst. In der GTD-Community (Getting Things Done, sehr lesenswert!) sind das deine „Next Actions“. Das hier könnten die Next Actions unseres Beispiels sein:

Die Next Actions sind identifiziert und hervorgehoben

Neben einem kleinen Etikett „Next Action“ habe ich zusätzlich mit gelber Hervorhebung gearbeitet. Tatsächlich reicht aber eine Form der Darstellung (ich bevorzuge das Etikett). Schauen wir uns die Next Actions im Detail an:

  • Druckerpatronen kaufen: Wenn du jetzt Zeit hättest, könntest du ins Auto steigen und welche kaufen oder am PC online bestellen.
  • Die eine und die andere Sache, die du heute eigentlich machen solltest: Wären nicht die ganzen Ablenkungen gewesen, hättest du bereits daran gearbeitet. Wahrscheinlich an deinem Arbeits-PC.
  • Termin für Reifenwechsel vereinbaren: Du könntest jetzt sofort zum Telefon greifen und anrufen
  • … gleiches gilt für die Kinokarten.

Bei allen übrigen Aufgaben fühlen wir uns noch nicht in der Lage sie direkt zu erledigen, selbst wenn wir jetzt Zeit hätten. Wir werden sie uns in Schritt 3 genauer ansehen.

Schiebe die Next Actions möglichst schnell ins Archiv bzw. auf eine eigene Liste

Jetzt bist du dran: Identifiziere jetzt deine Next Actions. Archiviere die Next Actions dann direkt.

Falls du nicht mit Keep gearbeitet hast, sondern z.B. ein Textdokument oder eine Liste auf Papier geführt hast, ist es jetzt Zeit eine zweite Liste anzulegen. Nenne die Liste “Next Actions” und verschiebe die Einträge der Inbox in diese neue Liste.

Review-Schritt 2: Sortiere dann aus, was irgendwann mal fällig ist

Nun zur Irgendwann-Kategorie. In unserem Beispiel erschien alles einigermaßen dringend. Dir werden aber über Tag noch Gedanken der Form „Irgendwann werde/sollte/könnte ich …„. Schreibe die auch zunächst in die Inbox. Nehmen wir zusätzlich an, das Sophies Gefallen auch von dieser Form ist (z.B. “Kannst du mir irgendwann mal das neue Computerprogramm erklären?”):

Markiere, was irgendwann mal (oder auch nie) erledigt werden kann

Erneut habe ich hier mit Farbe und Etikett gearbeitet, während eine Art der Darstellung gereicht hätte (vorzugsweise das Etikett). 

Den Sprachkurs wollen wir auch nicht unbedingt jetzt schon machen, und das Tablet werden wir uns vielleicht zu Weihnachten wünschen. Also alles entsprechend markieren. Und jetzt: Ins Archiv damit (bzw. in eine neue, dritte Liste “Irgendwann”).

Review-Schritt 3: Finde die Next Actions der restlichen Aufgaben

Drei Aufgaben stehen jetzt noch in der Inbox:

  1. Susi einen Gefallen tun
  2. Achim dringend antworten (dafür aber erst Steffi fragen)
  3. Der E-Mail-Bitte von Bernd nachkommen

Wir fühlen uns nicht in der Lage diese Aufgaben direkt zu erledigen. Oft ist das tatsächlich nur ein Gefühl, hervorgerufen von einem inneren Widerstand. Der beste Weg diesen Widerstand aufzulösen ist weitere Planung.

Für Susis Gefallen müssen wir vielleicht auf einen anderen Kollegen warten, der heute nicht da ist, und für Bernds Bitte müssen wir noch Diagramme erstellen, für die wir überhaupt erst die Daten ermitteln müssten. Bei dieser Art von mehrstufigen Aufgaben ist die Verschriftlichung besonders wichtig. Ich empfehle dir das direkt unter die Aufgaben als Unteraufgaben zu notieren:

Wie du siehst habe ich die Aufgabe jetzt in den Titel der Notiz geschrieben und die Unteraufgaben in den eigentlichen Notizkörper. Dabei war ich möglichst präzise. Statt „Steffi fragen“ habe ich ausführlich „Steffi per Telefon nach ihrer Meinung fragen“ geschrieben. Präzise zu sein wird dir dein Zukunfts-Ich garantiert danken. Und zwar bei jedem Review deiner Listen.

In die ausformulierung hat sich noch ein Schlüsselwort eingeschlichen: “als nächstes”. Das ist bewusst geschehen. Sobald du diese Aufsplittung vorgenommen hast, kannst du typischerweise direkt wieder Next Actions vergeben: 

Eine letzte Aufgabe “Sophie einen gefallen tun” verbleibt in der Inbox. Hier gibt es keine Next Action, sondern wir müssen warten. Dazu ein in einem folgenden Beitrag mehr! Für den Moment soll ich diese verbleibende Aufgabe in der Inbox nicht stören.

Deine neuen Gewohnheiten

Wie geht es mit deinen drei Listen weiter?

  • Inbox: Du füllst sie weiterhin im Tagesverlauf sorgfältig, mit allem, was nicht vergessen werden soll. 
  • Mindestens einmal am Tag identifizierst du alle Next Actions und Irgewanns, du du dann direkt in die zugehörige Liste verschiebst.
  • Next Actions: Jedesmal, wenn eine Aufgabe erledigt ist, schaust du in diese Liste für die nächste Aufgabe (außer ein Termin steht im Kalender). In dieser Liste werden nur Dinge stehen, die du auch wirklich erledigen kannst (vergleiche Schritt 3 von oben) und die daher mit minimalen inneren Widerständen verknüpft ist. Damit bekommt diese Liste die meiste Aufmerksamkeit.
  • (Spätestens) gegen Ende des Arbeitstages: Was steht jetzt noch in der Inbox? Zerteile es schriftlich in Teilaufgaben und identifiziere die Next Actions
  • Irgendwann: Schaue dir diese Liste einmal pro Woche an. Für den Moment ist es dabei egal, ob du dich per (verbindlichem) Kalendereintrag daran erinnerst oder dir eine wöchentliche Aufgabe notierst “Irgendwann-Liste durchsehen”. 

Um in Google Keep auf die archivierten Next Actions zuzugreifen, kannst du übers Burger-Menu dein Label “NextAction” auswählen:

Mit zwei Klicks nach einem Label filtern
Alle Next Actions auf eine Blick

Das liefert dir eine gefilterte Ansicht für dein tägliches Review der Next Actions.

Gib mir Rückmeldung: Ist es dir gelungen die Inbox zu leeren oder gab es eine hartnäckige Aufgaben, die sich gegen die drei Schritte gewehrt haben? Schreib sie mir gerne ins Kommentarfeld und ich helfe dir dabei.

Welche Tools – außer Google Keep – möchtest du hier im Blog behandelt haben?

Mythos Überforderung

Fest steht, eine Vielzahl von Angestellten fühlt sich überlastet (laut DBG-Studie). Du gehörst vielleicht auch dazu. Es stellt sich die Frage nach den Ursachen, denn man möchte die Überlastung ja loswerden. Hier drei populäre Meinungen:

  1. Es ist alles schnelllebiger geworden. Smartphones, E-Mails & Messenger halten den Druck hoch, man muss immer verfügbar sein und ruck-zuck antworten.
  2. Arbeitgeber beuten uns aus. Sie wollen immer nur eins: noch mehr Profit! Und das müssen wir als Arbeitnehmer schultern.
  3. Wir verhalten uns nicht erwachsen (Michael Winterhoff) und spielen zusätzlich zu viel Theater (Meetings und ähnliches, wunderbar dargestellt im Buch von Lars Vollmer „Zurück an die Arbeit“)

Punkt 2 möchte ich nicht weiter behandeln. Wer wirklich am Rande des Gesetzes ausgebeutet wird, dem wird auch eine gesteigerte Produktivität nicht helfen. Gleichzeitig bin ich überzeugt davon, dass die meisten Menschen in Europa zu fairen Bedingungen angestellt sind. Die Punkte 1 und 3 sind wahr, aber teilweise außerhalb unseres Einflussbereichs. Beide verdienen grundsätzlich auch einen eigenen Beitrag, weshalb ich sie erst mal außer Acht lassen möchte. Stattdessen möchte ich einen vierten Punkt einbringen:

4. Wir haben es nicht gelernt, uns zu organisieren

„“Organization“ for most people is simply an incomplete list, or amorphous piles, of still-unclear commitments.
– David Allen

Das ist provokant. Dennoch: Gerade, wenn du eben heftig mit Ablehnung reagiert hast, möchte ich dabei bleiben: Ich/wir/du haben nicht systematisch gelernt uns selbst zu organisieren. Woher soll es auch kommen? Es gibt kein Schulfach darüber und auch im Elternhaus muss es kaum vermittelt werden. Ein typischer Schüler muss nur dafür sorgen, dass seine Hausaufgaben gemacht sind und vielleicht noch das Haustier versorgt ist. Und wenn es hier mal hapert: Die Eltern springen mit unzähligen Erinnerungen ein oder erledigen es direkt selbst. An der Universität ist dann die erste Umstellung nötig, da einem hier niemand an die Hand nimmt. Im Vergleich zum Arbeitsleben ist das notwendige Maß an Selbstorganisation noch harmlos, da ein gut geführter Kalender fast schon ausreicht.

Schauen wir uns einen typischen Start in einen Arbeitstag an. Einen nervigen Start, gespickt voller ungeplanter Ablenkungen. Daily Business könnte man sagen.

45 Minuten reichen aus, um den Tag entgleisen zu lassen

  • 7:30 Uhr: Auf dem Weg zur Arbeit. „Ich darf nicht vergessen, auf dem Heimweg noch Essen für heute Abend zu kaufen.“
  • 7:50 Uhr: Auf dem Parkplatz angekommen: „Ich muss noch einen Termin für den Reifenwechsel vereinbaren.“
  • 8:00 Uhr: Ein Post-It begrüßt uns am Schreibtisch. Kollegin Susi bittet um einen Gefallen.
  • 8:10 Uhr: Erst mal E-Mails lesen! 30 Stück. Die ersten beiden sind belanglos, dann eine Bitte vom Kollegen Bernd (Antwort ist jetzt zu aufwändig, machen wir später). Im weiteren Verlauf weitere Belanglosigkeiten, einige Mails, die wir direkt beantworten, und weitere, die wir aufschieben. Achim benötigt dringend eine Antwort, die wir uns aber zuerst bei Steffi holen müssen.
  • 8:30 Uhr: E-Mails sind erst mal durchforstet, jetzt gönnen wir uns einen kurzen Blick aufs Handy. WhatsApp-Nachricht vom Schatz: Bitte noch Kinokarten für morgen reservieren. Kein Problem, machen wir nachher.
  • 8:35 Uhr: Der Blick fällt zurück auf den Monitor und damit auf Susis Post-It. Sie möchte etwas gegengelesen haben. Machen wir direkt; es muss nur ausgedruckt werden. Mist, wo lag die Datei nochmal?
  • 8:36 Uhr: Gedanke auf dem Weg zum Drucker „Zu Hause sind die Druckerpatronen leer“. Selbstverständlich spricht uns unterwegs Sophie an und bittet um einen Gefallen.
  • usw.

Raus aus dem reaktiven Modus!

Ohne sehr diszipliniertes Selbstmanagement entscheidet der Zufall, was wir vergessen werden und was nicht. Kommen wir wirklich mit Abendessen und reservierten Kinokarten zurück, die wir zu Hause ausdrucken können? Steht der Termin zum Reifenwechsel? Haben wir Susi, Bernd, Achim und Sophie Genüge getan? Haben wir die Aufgaben erledigt, die eigentlich erledigt werden sollten, bevor es zu all den Zwischenrufen kam?

Hand aufs Herz: Wie viele dieser Fragen sind an einem typischen Tag mit Nein zu beantworten?
Falls es mindestens ein Nein gab: Was ist die Ursache? Die anderen, weil sie uns Aufgaben aufdrücken? Das wäre die leichteste Antwort. Wer sich mit ihr zufriedengibt, ist möglicherweise mit sich selbst im reinen – auf unreflektierte Art und Weise. Gleichzeitig wird dieser jemand wohl weiterhin ständig genervt von seinem Umfeld sein. Dessen Schnelllebigkeit und der scheinbare Wunsch unseres Chefs immer mehr Aufgaben in immer weniger Zeit zu erledigen.

Sieh es ein: Das Problem bist du

Was wäre, wenn du selbst die Ursache für das Problem bist. Klingt wenig ehrenhaft, ja! Dafür gewinnst du die Chance, dieser Situation zu entkommen, denn du selbst kannst dich ändern. Was tun also?

Wenn Du an dir selbst arbeitest, dann kannst Du mit solchen Situationen bald spielend umgehen und allen Wünschen und Bitten nachkommen, ohne dabei ein Gefühl der Überlastung zu verspüren. Naheliegend die Frage – wie geht das?
Folge meiner Taktik! Ich habe an ihr viele Jahre gefeilt und möchte sie hier im Blog gerne an euch weitergeben.

  • Schritt 1: Gehe bewusst durch den Tag und hinterfrage deine Reaktion auf solche Situationen. Rufe dir ins Gedächtnis, dass deine Stimmung immer deine Reaktion auf die Umwelt ist.
  • Schritt 2: Lies weiter! In den folgenden Wochen werde ich dir viele kleine, einfache Tipps geben. Gemeinsam können wir so vielen Fallen aus obigem Beispiel entschärfen. Höre dir einfach regelmäßig meinen Podcast „produktiv hoch 3“ an.