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Solltest du alle deine To-dos löschen?

In der kurzen Info über Marie Kondo, die eure To-do-Liste aufräumt (hier nachzulesen), ging es bereits darum, Aufgaben auch manchmal zu löschen. Sie hat empfohlen, alle Aufgaben niedrigster Priorität zu entsorgen; ich habe hier im Blog widersprochen. Nun bin ich über den Artikel “I Declare Todo-List Bankruptcy” gestolpert. Die Autorin erläutert, in welchen Situationen sie es für sinnvoll hält, alle Aufgaben in der To-do-Liste zu löschen. Selbstverständlich ist mein innerer Protest hier umso stärker. Solltest du alle deine To-dos löschen? Nein! Entgehe dem To-do-Listen-Konkurs.

Wie es zu überfüllten Todo-Listen kommt

Anhänger von Getting Things Done schreiben alles in ihre Inbox (hier nachzulesen). An einem typischen Tag kommen durch eigene Gedanken, Bitten von Kollegen und Freunden, zufliegenden Aufgaben via E-Mail usw. schnell dutzende neue Einträge hinzu. Diese halten sich zwar nicht lange in der Inbox auf, sondern wandern (hier nachzulesen) in ihre zugehörigen Unterprojekte bzw. Kontextlisten (Besorgungen, Telefonate, …), dennoch verweilen sie aber immer noch in der Aufgabenverwaltung. 

Hier eine Tagesaufnahme meines Todoist:

Screenshot meines Todoist mit wenigen terminierten Aufgaben

Fünf Aufgaben sind explizit für heute vorgesehen, weitere zwei Dinge sind überfällig, da ich sie gestern nicht erledigt habe. Die meisten Aufgaben sind über Filter zugänglich:

Filteransicht meines Todoist. Insbesondere sind insgesamt 479 Aufgaben im System
Aktuell stehen insgesamt 479 Aufgaben in meinem System
  • 76 Dinge könnte ich als nächstes erledigen (“Next Action”)
  • In 13 Fällen warte ich auf jemanden, der die Aufgabe übernommen hat („Waiting“)
  • 37 Aufgaben lauern an einem bestimmten Tag in der Zukunft auf Erledigung
  • usw.
  • Insgesamt sind 479 Aufgaben in meinem Todoist erfasst

479 Aufgaben! Die meisten davon haben aktuell die geringste Priorität, die man in Todoist vergeben kann. Dem Ratschlag von Marie Kondo folgend, könnte ich wahrscheinlich 400 Aufgaben löschen. Könnte! Wirklich tun werde ich das nie.

Die Gefahr von gelöschten Aufgaben

Ich verwende Todoist seit über fünf Jahren und stets habe ich zwischen 300 und 500 Aufgaben darin. Hier hat sich offenbar ein dynamisches Gleichgewicht eingestellt. Aber auch bei mir kommen mehr Aufgaben rein, als ich wirklich erledige. Von Zeit zu Zeit lösche ich also auch unerledigte Aufgaben (nach welchem Schema ich das tue, erkläre ich am Ende des Beitrags). Was spricht nun dagegen, auf einen Schlag direkt mehrere (oder alle) Aufgaben zu löschen?

Beginnen wir mit Marie Kondos Vorschlag, die unwichtigen Aufgaben zu löschen. Jedoch: Woran erkennt man eine wichtige bzw. unwichtige Aufgabe? Diese Frage verdient einen eigenen Beitrag und wird hier nur kurz angeschnitten. 

Natürlich kann man sich immer vorstellen, sein Zukunfts-Ich im Geiste zu befragen: „Wäre es dir (also meinem 5 Jahre älteren Ich) lieber, wenn ich heute A oder B mache?“ 

Bei der Abwägungen in denen A etwas mit Netflix und B mit etwas mit Fortbildungen zu tun hat, ist das sicherlich einfach. Ist es im Alltag aber wichtiger, dem Chef, den Kollegen oder dem eigenen Körper etwas Gutes zu tun? Pauschal nicht beantwortbar! Manchmal muss man auf das Karrierekonto, manchmal auf das Freundschaftskonto und manchmal eben auf das Gesundheitskonto einzahlen.

Dinge, die nicht mit höchster Priorität markiert sind, sind nicht zwangsläufig unwichtig. Und umgekehrt: Der Großteil der To-dos, die wir für wichtig halten, sind es wahrscheinlich gar nicht. Beim Rest ist es kaum unstrittig möglich, Prioritäten zu vergeben. Niemals könnte ich in diesem Rahmen einfach alle Aufgaben niedrigster Priorität entfernen.

Die Autorin der To-do-List-Bankruptcy schreibt, dass ihr bisher nichts Schlimmes passiert ist.  Natürlich räumt sie etwas ängstlich ein, dass auch etwas Wichtiges gelöscht worden sein könnte. Möglicherweise überwiegt die neu gewonnene Entspannung bei ihr diese Angst. Ich kenne mich; bei mir würde die Angst überwiegen. 

Nochmal einen Schritt zurück! Was ist Sinn und Zweck unserer Aufgabenverwaltung?

Ist dein System Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Wir haben die Dinge in unsere Inboxen geschrieben, damit wir sie nicht vergessen und sie nicht an unseren Gedanken nagen. Eine nagende Aufgabe spukt dir den ganzen Tag im Kopf herum. Deine innere Stimme sagt ständig „Ich darf XYZ nicht vergessen!”. Das verursacht Stress und entzieht mentale Kapazitäten. Eine Aufgabe zu vergessen und auf unbequeme Art und Weise daran erinnert zu werden, verursacht noch mehr Stress und oft auch Ärger. 

Der Entspannung plötzlich alle Aufgaben loszuwerden, und sei es nur für wenige Tage (bis die wichtigen wieder zurückkommen), steht somit der Stress und die Angst gegenüber. “Ich muss unbedingt an XYZ denken, gerade jetzt wo ich mir den Reminder aus der Todo-Liste gelöscht habe”.

Es kann – vor allem bei Produktivitätsneulingen – vorkommen, dass sich ein schier unbewältigbarer Berg an Aufgaben angesammelt hat. Jeder Blick darauf kann dann so unangenehm sein, dass man die Liste irgendwann komplett links liegen lässt. 

Die gute Nachricht: So weit wird es nicht kommen, wenn du regelmäßig sachte gegensteuerst.

Entgehe dem Todo-Listen-Konkurs

Ich möchte es nochmal betonen: Lösche Aufgaben nicht, nur weil sie eine geringe Priorität haben. Das alleine ist kein zuverlässiger Maßstab. Ein wichtiger Aspekt der Produktivität ist es, dass man zu jeder Zeit nicht nur entscheidet, was man tut, sondern auch entscheidet, was man nicht tut. Genauer gesagt: „Noch nicht tut“. Wenn Aufgaben lange Zeit in meiner Liste stehen, ohne dass ich sie erledige, ist das für mich ein starkes Indiz, dass mir die Aufgabe wohl nicht wichtig ist. In Todoist habe ich dafür das Etikett „Papierkorb“, das ich an die Aufgabe anhänge. Damit erinnere ich mich für die kommenden weekly Reviews daran, dass ich bereit wäre diese Aufgabe/Idee loszulassen. Ändert sich das in den folgenden zwei bis vier Wochen nicht, so lösche ich die Aufgabe. Schließlich habe ich mir selbst genug Veto-Zeit eingeräumt.

Wenn diese Aufgabe nicht alleine vorkommt, sondern dir ein ganzes Projekt voller garstiger Aufgaben entgegenschaut, so gehe zuerst anders vor. Möglicherweise ist das Projekt einfach nicht korrekt geplant. Schnapp dir einen alten Briefumschlag (und lies vorher nochmal einen passenden Beitrag dazu). Nutze seinen Platz, jedoch nicht mehr, um das Projekt nochmal von null auf zu planen. Bringe diese neuen Schritte dann in deine Aufgabenverwaltung zurück, z.B. mit der Scanfunktion und entferne die bisherigen Aufgaben.

Erscheint dir das Projekt mittlerweile ganz und gar überflüssig? Dann gib ihm den Zusatz “Papierkorb” und lösche es bald, wenn sich deine Meinung nicht ändert!

Diese Art der Todo-Listen-Hygiene verschafft mir seit Jahren ein stabiles System, das mir deutlich mehr Entspannung verschafft, als man es von fast 500 To-dos erwarten würde.

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