Kann man To-do-Listen lieben?

Viele Menschen hassen ihre To-do-Liste. Die Gründe dafür sind vielfältig, meistens aber hausgemacht und haben mit Überforderung zu tun. Es ist ein bisschen so, wie wenn man – aus Frust über die eigene Figur – den Spiegel dafür hasst. Stellen wir uns nun vor, eine gute Fee nimmt uns Stress im Alltag, lässt uns entspannt nach Hause kommen, ohne noch Gedanken an die Arbeit zu verschwenden. Das ganze Leben beginnt plötzlich, sich in die richtige Richtung zu entwickeln. Muss man diese gute Fee dann nicht für ihr Werk lieben? Eben darum, muss man Task-Manager lieben.

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Erste Begeisterung für ein Stück Papier

To-do-Listen müssen natürlich nicht immer auf Papier stattfinden, aber der Reihe nach.

Wer frisch ins Berufsleben eintritt, musste sich zuvor vermutlich nicht wirklich stark organisieren. In der Schule wurde alles für die jungen Menschen strukturiert und auch die Universitäten beginnen immer stärker ihre Studiengänge zu vereinheitlichen und damit letztlich auch den Ablauf zu vereinfachen.

Mit einem Schlag ist das vorbei und als Arbeitnehmer:in muss man sich, seine Projekte, seinen Kalender, seine Aufgaben und sein Postfach organisieren. Andernfalls droht der Unmut der Kundschaft und von Kolleginnen und Kollegen. Als Universalwaffe der neu zu errichtenden Produktivität gab es doch diese To-do-Listen!? So habe ich selbst oft erlebt, wie mir junge Menschen mit funkelnden Augen davon berichten, dass sie jetzt sogar eine To-do-Liste haben. Sie scheinen endlich angekommen in der Welt des Big Business.

Spoiler: Diese Liste ist handwerklich noch schlecht umgesetzt, denn ja: Der Umgang mit To-do-Listen bewegt sich zwischen Kunst und Handwerk. Es ist ein bisschen so, als würde man einem jungen Menschen einem jungen Menschen einen Herd samt Topf schenken und sich dann wundert, dass nur Dosenravioli aufgewärmt werden

Wenn Begeisterung in Hass umschlägt

Die lebensverändernde Wirkung der To-do-Liste tritt auch ein. Leider anders als geplant. Man hat plötzlich nicht nur das Werkzeug der Titanen, sondern auch deren Stress. Was ist hier Ursache und was ist Wirkung? Natürlich ist das moderne Berufsleben nun mal wie es ist. Einzelne, die sich ohne Selbstmanagement dagegenstemmen, geraten zwischen die Zahnräder. Während die To-do-Liste genau das verhindern sollte, kann sie es sogar noch beschleunigen.

Es dauert nicht lange, bis die ersten Einträge in der To-do-Liste überfällig sind oder sich selbst überleben. Weil die Welt sich weiterdreht, wächst die Liste. Weil die Liste zu stark wächst, beginnt man sich unwohl damit zu fühlen. Weil man sich damit unwohl fühlt, trägt man ab sofort weniger Dinger ein. Weil man weniger Dinge einträgt, wird die Liste unvollständig. Weil die Liste unvollständig wird, verliert man das Vertrauen in Sie. Weil man das Vertrauen in die Liste verloren hat, und dieses Dokument scheinbar die eigene Überforderung widerspiegelt (in Form von überfälligen Einträgen) beginnt man an sich selbst und der eigenen Leistungsfähigkeit zu zweifeln. Man schwebt nicht souverän über den Dingen und das neu entstandene Misserfolgstagebuch kann das beweisen.

Somit ist es einfach, To-do-Listen zu hassen.

Wenn Sie eine hassen, werden Sie viele lieben

Aber ist die To-do-Liste an sich wirklich verantwortlich für die Misere? Ist der Spiegel aus dem Eingangsbeispiel für die Figur oder das Gewicht verantwortlich? In beiden Fällen lautet die Antwort nein. Und genauso wenig, wie der Spiegel an sich beim Abnehmen hilft, kann eine einfache Liste, was alles zu tun sein könnte, beim Erledigen von all diesem helfen. Jedoch können wir sie als guten Ausgangspunkt nutzen. Vorausgesetzt natürlich, wir lassen uns wieder für Selbstmanagement begeistern.

Zeit für Präzision in der Wortwahl. Die To-do-Liste ist ein Stück Papier.  Aus Papier kann sie schon sein, das entscheidest Du. Im Moment sind die Vor- und Nachteile von handschriftlichen oder digitalen Systemen zweitrangig. Entscheidend ist, dass es nicht die Liste ist, sondern die Listen. Du brauchst also ein System von mehreren Listen. Dann spricht man nicht mehr von der To-do-Liste sondern von Task- oder List-Managern.

Jetzt hier auszuführen, wie es mit diesen vielen Listen zu hantieren gilt, würde den Rahmen sprengen. Dazu gibt es hier im Blog unzählige Beiträge oder kompakt in meinem Audiokurs. Für den Moment nur so viel: Ähnlich wie man seine Wäsche nicht eine einzige Schublade quetscht, sondern in verschiedene Schubladen sortiert, sollte man auch bei seinen To-dos vorgehen. Was wird am Computer erledigt, was am Telefon? Was kann ich alleine vorantreiben, wo fehlt mir der Input von anderen? Was bringt jetzt meine Projekte voran, was sind Ideen für irgendwann mal?

Geplante Schmetterlinge im Bauch

Wir haben bisher festgestellt, dass man auf To-do-Listen sehr wohl starke Gefühle projizieren kann. Leider eben viel zu oft negative Gefühle. Dabei gab es anfangs sehr wohl Schmetterlinge im Bauch. Die Kunst ist es eben nun, die Liste und unser Vertrauen in sie nicht verrotten zu lassen. Dazu müssen wir für Vollständigkeit sorgen, die Listen aufräumen und regelmäßig durchsehen.

Stell Dir also vor, dass Dein Kopf permanent frei ist, weil alle Müsste/Könnte/Sollte-Gedanken systematisch erfasst sind. Sorgen, dass Dir etwas entgegen könnte, gibt es nicht. Der Wartungsaufwand, das alles aktuell zu halten, ist überraschend gering. Dein Tag ist spürbar stressärmer geworden und Deine Aktivitäten zahlen auf Deine Ziele ein. Du weißt genau, was Du tun musst und ebenso genau, wofür Du Dich entschieden hast, es gerade nicht zu tun.

Wohlgemerkt, das ist zu 80 Prozent der Task-Manager, und nur zu 20 % alles Übrige wie eat that frog, time blocking oder alle anderen Prinzipien.

Wenn Dir diese Leichtigkeit momentan in Deinem Leben fehlt, lade ich Dich ein, meinen Tipps hier im Blog, Podcast oder meinem kostenlosen Newsletter zu folgen:

Was Du aus dem Scheitern lernen kannst

Scheitern und die zugehörigen Niederlagen haben einen rasanten Image-Wandel hinter sich gebracht. Hat man sich früher dafür geschämt, und hätte die entsprechenden Stellen am liebsten aus dem Lebenslauf getilgt, bekommt man heute viel Applaus auf Social Media, wenn man die eigenen Fehlschläge als wertvolle Lektionen präsentiert.

Parallel zur Gesellschaft habe ich auch bei mir ein Umdenken erkannt, was das Scheitern angeht. Mal abgesehen davon, dass es in der ersten Phase nach einem Fehlschlag noch schwer ist, überhaupt etwas Positives aus daraus zu ziehen, bleibt auch heute noch bei mir die Sorge, dass wir es mit der Begeisterung für Niederlagen etwas übertrieben haben könnten.

Speziell wenn es darum geht, welche Lektion man aus dem Scheitern ziehen sollte, habe ich einen interessanten Vorschlag gefunden. Denn nicht immer ist Aufgeben ein Zeichen von Schwäche. Aber der Reihe nach.

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Einmal mehr Aufstehen als Hinfallen

In der Bildsprache des Hinfallens ist es natürlich völlig absurd, irgendwas zu tun, außer eben direkt wieder aufzustehen. Und niemals wäre dieses Bild vollständig ohne den Hinweis, dass andernfalls noch nie ein Kind das Laufen gelernt hätte.

Bleiben wir noch einen Moment bei den Kindern. Wie lernen sie, dass der Ofen heiß ist und Toben auf der Treppe gefährlich? Sie könnten es lernen, weil sie sich die Finger verbrennen und die Knochen brechen. Sie sollten es aber eher auf die sanfte Art lernen, indem sie vom Erfahrungsvorsprung der Eltern lernen. Spricht man heute davon, dass man Lehrgeld für etwas gezahlt hat, so hat man etwas eben nicht auf die sanfte Art gelernt. In der direkten Bedeutung könnte man aber auch Lehrgeld zahlen, damit eine Lehrerin oder Lehrer einem die Lektion erteilt, ohne dass man den Schaden hat.

Somit ist „einmal mehr Aufstehen als Hinfallen“ zwar ein guter Rat, jedoch ist damit nicht gesagt, dass symbolisches Fallen immer die beste Art ist, etwas zu lernen und es sollte schon gar keine Einladung zum Sturz sein. So wird jemand, dessen erstes Geschäft den Bach herunterging, beim zweiten Versuch mit höherer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. Gleichzeitig hätte es Fehlschlag vermutlich nicht gebraucht, um diese Lektion zu lernen. Sondern nur Lehrgeld im sanften Sinne.

Die Schönheit des Scheiterns

Im Buch „Die Schönheit des Scheiterns“ von Charles Pepin wird nun das Hinfallen und Aufstehen gefeiert. Anfangs liest sich das ermüdend, denn man kennt die Geschichten zur Genüge von Kalenderblattweißheiten und tiefgangsfreiem Motivationsgeplapper in den sozialen Medien. Ich weiß nicht mehr, warum das Hörbuch da nicht einfach beendet habe. Den Kaufpreis habe ich gedanklich schon abgeschrieben und mir eine schlechte Entscheidung bei der Auswahl dieses Titels zugestanden. Eine kleine Niederlage sozusagen.

Doch ich hörte es weiter. Das machte die gedankliche Niederlage nur schlimmer, denn in der Podcast-Folge „Ist Netflix wirklich Zeitverschwendung?“ habe ich genau zum Gegenteil aufgerufen: Wenn eine Serie oder ein Buch Mist ist, höre auf damit. Unerwarteterweise wurde das Buch dann plötzlich leider richtig gut, weil es mir einen höchst-interessanten Gedanken offenbart hat. Leider für mein Ego, glücklicherweise für meine Erkenntnis.

So erklärt Charles Pepin, dass es zwei, fundamental gegenläufige, Lektionen gibt, die man aus Niederlagen ziehen kann.

Scheitern als Ausdruck des Werdens

„If you can dream it, you can do it“, sagte Walt Disney. Die unzähligen Teilnehmer:innen von Casting-Sendungen sind sicherlich in der Lage zu träumen, nur eben nicht zu singen. Sollten sie alle immer und immer wieder aufstehen? Wird das noch was?

Das Stichwort „Werden“ bringt uns zu Jean-Paul Satre und dem philosophischen Existenzialismus. Als Nicht-Philosoph versuche ich mich an einer Erklärung. Denken wir zunächst eine Gitarre. Bevor die einzelne Gitarre gebaut wird, existiert sie noch nicht. Wohl aber ihre Essenz, also die Idee dessen, was sie sein soll, welchem Zweck sie dienen soll. Die Essenz geht hier der Existenz voraus.

Wie ist das bei Dir? Hatten Deine Eltern bei Deiner Zeugung bereits Deine Berufung im Sinn? Vermutlich nicht. Es begann mit Deiner Existenz und die Essenz musste sich anschließend herauskristallisieren, wenn sie das überhaupt jemals vollständig tut. Denn so lange Du atmest, hast Du unzählige Möglichkeiten, was Du werden könntest. Möglicherweise glaubst Du, Deine Berufung bereits gefunden zu haben. Ob es wirklich Deine Essenz war, zeigt sich erst nach Deinem letzten Atemzug.

Wer also scheitert, der ist auf Zickzack-Kursen auf dem Weg, seine Essenz zu finden. Jede Niederlage zeigt Dir somit, was Deine Essenz nicht war. Genauer gesagt, nicht wurde, denn möglicherweise hätte es auf anderem Weg klappen können. Die Kunst ist es nun, lange genug bei einer Sache zu bleiben, um nicht kurz vorm Ziel zusammenzubrechen, aber auch andererseits, mit dem Wissen um die all die anderen Möglichkeiten nicht an einer unerfüllbaren Essenzvorstellung festzuhalten. Wir scheitern uns durchs Leben, um zu werden.

Scheitern als Ausdruck des Seins

Aus der Psychoanalyse können wir uns einen anderen Blickwinkel aufs Scheitern borgen: Scheitern, als Ausdruck des Seins. In der SMART-Formel lernen wir, dass Ziele unter anderem A wie attraktiv sein sollen. Dass wir das Ziel besser auch wirklich wollen, sollten. So offensichtlich das klingt, so wenig selbstverständlich ist das. Oft folgen wir einem Weg oder Zielen, die uns andere vorgeben, oder von denen wir glauben, dass andere Menschen das so von uns erwarten. Dann sind wir insgeheim sogar dankbar, wenn das Vorhaben scheitert.

Wer ignoriert, wer er oder sie ist, wird scheitern. Wer nicht sicher ist, wer er oder sie ist, braucht diese Fehlschläge als Rückmeldung. So hat der Dialog mit mir selbst gereicht, um zu erkennen, dass ich kein Vertriebsmensch bin. Dazu musste ich einmal scheitern. In dieser Interpretation wäre es schwachsinnig, jetzt nochmal aufzustehen und weitere Anläufe im Vertrieb zu nehmen. Im Kampf gegen mein Sein könnte ich nur Pyrrhussiege erringen. Scheitern ist hier also probates Mittel zu Erkenntnis. Vorausgesetzt, man akzeptiert die zugehörige Lektion, wer man ist.

Sollte was nicht ist noch werden?

Zeit für ein Zwischenfazit:

  • Manche Dinge, wie z.B. Laufen lernt man durch Hinfallen und Aufstehen
  • Andere Dinge, kann und sollte man besser ohne teure Lehrgelder lernen
  • Auf der Suche nach unserer Essenz scheitern wir uns durch unzählige Möglichkeiten, was wir alles werden könnten
  • Wer gegen sein Sein handelt, provoziert die Niederlage und sollte diese Lektion akzeptieren

Was machen wir jetzt mit all diesen Erkenntnissen? Die richtige Graustufe finden! Die alte Vorstellung, dass Scheitern immer etwas Schlechtes ist, haben wir überwunden. Jetzt dürfen wir nicht in einen Freudentaumel der ständigen Stürze verfallen. Scheitern kann vermieden werden und Scheitern ist oft die ineffizienteste Art etwas zu lernen. Aber es ist erlaubt. Vor allem dann, wenn Du herausfinden willst, wer Du bist oder wer Du werden könntest.