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Prokrastination ist keine Faulheit: Neil Fiores Balkenmodell erklärt

 

Wenn du Aufgaben vor dir herschiebst und dich dabei für faul hältst, kommt hier eine Entwarnung. Was oft als Faulheit oder Charakterschwäche interpretiert wird, ist in vielen Fällen schlicht Angst oder in milderer Form einfach Sorgen. In diesem Beitrag erkläre ich dir Neil Fiores Balkenmetapher, vergleiche sie mit dem bekannten „Next-Action“-Denken und zeige dir praktische Schritte, wie du die Angst verkleinerst und deine Prokrastination überwindest.

Worum geht es beim Balkenmodell?

Stell dir vor, du sollst über einen Balken laufen, der am Boden: 10 Meter lang, 30 cm breit. Kein Problem, oder? Du würdest souverän darüber balancieren und die Aufgabe ist erledigt. Jetzt derselbe Balken — mehrere Meter über dem Boden zwischen zwei Häusern gespannt. Die pure Vorstellung daran, kann ausreichen, um dich zu lähmen. Nicht weil du es nicht kannst, sondern weil die Angst, herunterzufallen, alles dominiert.

Das ist der Kern von Fiores Modell: Prokrastination entsteht oft nicht aus fehlendem Können, sondern aus dem Versuch deines Gehirns, dich zu schützen. Du machst nicht den ersten Schritt, weil die Sorge vor einem Sturz so groß ist, dass sie alle Handlungsenergie blockiert. Natürlich wäre ein echter Sturz aus großer Höhe sehr gefährlich. Doch mit welchen Ängsten haben wir es hier, übertragen auf deine Situation, tatsächlich zu tun?

Welche Ängste verbergen sich hinter aufgeschobenen Aufgaben?

  • Angst vor dem Scheitern: Was, wenn es schiefgeht und alle es sehen?
  • Angst vor Bewertung: Was, wenn sie meinen, ich sei ängstlich oder nicht kompetent?
  • Angst vor steigenden Erwartungen: Wenn ich es schaffe, verlangen andere beim nächsten Mal noch mehr von mir.
  • Angst vor Kontrollverlust: Wenn du bis zur Deadline wartest und dann etwas schiefgeht, hast du kaum noch Optionen.

Das falsche „Feuer unterm Haus“ — warum Deadlines nicht die Lösung sind

Ein schneller Trick, um dich über den Balken zu kriegen, ist, das Haus anzuzünden (oder zu warten, bis es zu brennen beginnt) also dich von Deadlines und Druck treiben zu lassen. Ja, das funktioniert kurzfristig. Aber es schafft unnötig hohes Risiko, Stress und schränkt deine Optionen ein. Wenn etwas schiefgeht, hast du weniger Zeit, zu korrigieren, und am Ende stehst du mit hoher Herzfrequenz und grauen Haaren da. Kein nachhaltiger Weg.

Das bessere Modell: Ein Sicherheitsnetz unter dem Balken

Statt das Haus anzuzünden, spann ein Netz unter den Balken. Nicht alle Angst verschwindet, aber sie wird deutlich kleiner. Klein genug, damit du den ersten Schritt machst. Dieses Netz ist psychologische Sicherheit: Vorbereitung, Übung, Unterstützung und die Beschäftigung mit deiner Angst.

Wie baust du dieses Sicherheitsnetz?

  1. Identifiziere das Schlimmste, was passieren könnte. Schreibe es auf.
  2. Wende die 10-10-10-Regel an: Wird mich dieses Problem in 10 Minuten stören? In 10 Wochen? In 10 Jahren?
  3. Reduziere Sichtbarkeit und Risiko: Probiere eine Generalprobe in kleinem Rahmen (Freunde, Aufnahme, Testlauf).
  4. Hole dir Unterstützung: Trainings, Coaching, Feedback oder ein Partner, der dir Rückendeckung gibt.
  5. Strukturiere das Projekt in echte, ausführbare Teil-Schritte — nicht nur „anfangen“, sondern konkrete Mini-Handlungen.

Die 10-10-Regel — kurz erklärt

Die Regel hilft, Worst-Case-Szenarien zu relativieren. Wenn du dir das Schlimmste aufschreibst, frag dich:

  • Wird mich das in 10 Minuten noch stören? (Meistens: ja, die unmittelbaren Gefühle sind noch frisch)
  • Wird mich das in 10 Wochen noch stören? (In vielen Fällen bereits nicht mehr)
  • Wird mich das in 10 Jahren noch stören? (unwahrscheinlich; oft wird es zur Anekdote.)

Beispiel: Angst vor einem Vortrag (Blackout, Versprecher). Sicher für 10 Minuten unangenehm. In 10 Wochen wahrscheinlich noch halb so schlimm. In 10 Jahren eine Geschichte, über die du vielleicht lachen kannst, weil du weitergemacht hast und besser geworden bist.

Next Action Denken vs. Balkenmodell

Ich mag das Next-Action-Denken: Man zerlegt Aufgaben, fragt „Was genau hält mich ab?“, und definiert den nächsten ausführbaren Schritt. Beim Balkenmodell liegt die offensichtliche Next Action nicht immer auf dem Balken selbst. Manchmal ist der erste Schritt, das Netz zu bauen, also Angstmanagement, oder kritisch zu überprüfen, ob der Balken wirklich so hoch ist oder sein muss, wie man denkt.

Fazit

Prokrastination ist selten bloße Faulheit. Meist ist sie ein Schutzmechanismus gegen Angst und Sorgen. Neil Fiores Balkenmodell hilft dir, diese Angst sichtbar zu machen: Ist der Balken wirklich so hoch bzw. fehlt dir nur das Netz? Statt dich von Deadlines verbrennen zu lassen, baue psychologische Sicherheit, nutze die 10-10-10-Regel und nimm dir konkrete, kleine Schritte vor. Dann reicht oft schon ein einziger erster Schritt, um die Prokrastination zu durchbrechen.

 

 

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